„Menschen machen Gemeinde aus“
Wersten/Holthausen (evdus). Zur Unterstützung des pastoralen Dienstes der damals noch fünf evangelischen Kirchengemeinden im Düsseldorfer Süden wurde 2015 Pfarrer Christian Nell-Wunsch eingestellt. Im Mai 2017 übernahm er die Pfarrstelle in der Evangelischen Kirchengemeinde Wersten, nachdem Pfarrerin Kirsten Wolandt für ihren Auslandspfarrdienst in den Iran ging. Seit 2020 ist die Evangelische Kirchengemeinde Wersten mit der Evangelischen Klarenbach-Kirchengemeinde in Holthausen zusammengelegt worden und heißt seitdem Evangelischen Kirchengemeinde Düsseldorf-Süd.
Am Sonntag, 20. August, ist Gemeindepfarrer Christian Nell-Wunsch in einem Gottesdienst in der Stephanuskirche von Superintendent Heinrich Fucks von seinen Aufgaben entpflichtet und ihn in den Ruhestand verabschiedet worden.
„Selbst leben, was man predigt“
„Ich habe mich immer besonders im Bereich der Pädagogik zuhause gefühlt“, sagt der gelernte Erzieher, der auf dem Zweiten Bildungsweg sein Abitur gemacht und anschließend Theologie studiert hat. So gestaltete er gemeinsam mit Ehrenamtlichen und den Erzieherinnen der Kindertagesstätten der Kirchengemeinde einmal im Jahr eine Kinderbibelwoche für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter. „In diesem Jahr haben wir uns anhand der Geschichte von der ‚Arche Noah‘ mit dem Thema ‚Nachhaltigkeit‘ beschäftigt. Im Zentrum stand der Gedanke: Wir können selbst etwas verändern und werden auch dazu befähigt durch Gottes Geist, durch unsere Begabungen, unsere Talente, die wir mitbekommen haben“, sagt Nell-Wunsch. Ihm ist wichtig, das, was er predigt, auch selbst zu leben. So hat er sein Auto abgeschafft und bewegt sich mit dem Fahrrad und öffentlichen Verkehrsmitteln fort und freut sich, dass auch viele Gemeindeglieder und Konfirmand:innen mit dem Rad zur Kirche kommen.
Neue Gestaltungsmöglichkeiten durch Fusion
Christian Nell-Wunsch sieht sich als Pastor, lateinisch: Hirte, der gemeinsam mit der Gemeinde unterwegs und nicht ihr Verwalter ist. „Menschen machen die Gemeinde aus. Sie sind mit vielen Gaben ausgestattet, die gefördert und gefordert und herausgehoben werden können. Ich sehe mich als Impulsgeber, Sortierer, Einberufer und manchmal auch als Befrieder und Versöhner, als derjeniger, der zusammenbindet und bei zu treffenden Entscheidungen hilft“.
In seiner Funktion als Vorsitzender des Bevollmächtigtenausschusses, der die Fusion 2020 der beiden Standorte Wersten und Holthausen zur neuen Evangelischen Kirchengemeinde federführend begleitete, galt es, Entscheidungen zu treffen, die nicht allen in der Gemeinde gefielen, zum Beispiel die Reduzierung der Gottesdienste. „Wir Gemeinde gestärkt aus der Fusion hervorgegangen. Denn durch die Aufgabe von Angeboten auf der einen Seite, wurde auf der anderen Seite die Erprobung neuer Gottesdienst- und Begenungsformen möglich, zum Beispiel das ‚Abendgebet to go‘ in der Klarenbachkirche, Projekte wie Seelen-w-ort oder Flussgeschichten und eine Ausweitung der Ökumene mit den Glaubensgemeinschaften in unserer Nachbarschaft“, sagt Nell-Wunsch.
Die ‚nachgehende‘ Seelsorge, also der begleitende theologische Beistand nach einem tiefen Einschnitt in der Biographie eines Menschen, ist dem Pastor ein Herzensanliegen. So vermittelt er zum Beispiel arbeitslos gewordenen Menschen in seiner Gemeinde, dass es auch mal schiefgehen kann im Leben und erzählt auf Nachfrage von seiner persönlichen Erfahrung des Arbeitsplatzwechsels, weil es einfach nicht „gepasst“ hat, und dem Neuanfang.
Trauer und göttlicher Beistand
Eine tiefe persönliche Krise war für Nell-Wunsch 2019 der Tod seiner schwer erkrankten Frau Doris. Er entschied sich, die Gemeinde an seiner Trauer teilhaben zu lassen, sprach auf Nachfrage mit Konfirmand:innen und Gemeindegliedern über seine persönlichen Erfahrungen des Abschiednehmens, über das Gefühl der Leere nach dem Tod und über seine Traurigkeit und seinen Zorn auf Gott. „Ich bin sehr dankbar, dass ich den Glauben nicht verloren habe. Nach dem Hadern mit Gott, stellte sich ein unendliches Vertrauen in den göttlichen Beistand ein. Meine Gewissheit, weiterhin mit Gott verbunden zu sein, ist für mich ein Geländer, eine Tankstelle“, sagt der 63-Jährige.
Mit seiner Offenheit ebnete er vielen Menschen den Weg, vertrauensvoll über eigene Verlusterfahrungen zu sprechen. Zu Nell-Wunschs Lieblingsbibelstellen zählt die Geschichte vom Propheten Elia, der „am Bach sitzt und nicht mehr will und nicht mehr kann und zweimal von Gottes Engel wberührt wird mit den ermutigenden Worten: ‚Steh‘ auf und iss‘“.
Ganz viel Genuss ist für Christian Nell-Wunsch mit dem baldigen Ruhestand verbunden: „Aufzuwachen und zu gucken, was am Tag passiert, mich ganz viel draußen bewegen, alte Freunde wiedersehen und sowohl meine erwachsenen Kinder mit ‚Anhang‘ in der Nähe von Kopenhagen und in Berlin wie auch die meiner neuen Partnerin zu besuchen. Ein Riesengeschenk ist für mich, dass ich mich noch mal neu verlieben darf“.
Ulrike Karpa