Die rheinische Landeskirche startet gemeinsam mit dem Evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf und der Markusgemeinde die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt durch einen ehemaligen, inzwischen verstorbenen Gemeindepfarrer. Die bisher bekannten Vorfälle beziehen sich auf den Zeitraum der 1970er- bis 1990er-Jahre und betreffen männliche Erwachsene. Mögliche weitere Betroffene sowie ZeitzeugInnen sollen ermutigt werden, sich zu melden.
Dem Pfarrer, der von 1973 bis 2001 in der evangelischen Markusgemeinde tätig war und 2015 verstorben ist, wird vorgeworfen, im Rahmen seiner seelsorglichen Tätigkeit sexualisierte Gewalt ausgeübt zu haben. Die der evangelischen Kirche bisher bekannten Schilderungen betroffener Personen lassen weitere Betroffene vermuten. Der beschuldigte Pfarrer war insbesondere durch sein Engagement für die Rechte homosexueller Menschen überregional bekannt. In den vorliegenden wissenschaftlichen Studien zum Kontext von Homosexualität und Kirche wird auch auf seine Rolle und sein Wirken Bezug genommen.
Zum Start des Aufarbeitungsprozesses erklärt Superintendent Heinrich Fucks:
„Wir stellen uns unserer Verantwortung. Die Schilderungen der Betroffenen nehmen wir sehr ernst. Es geht uns darum, ihnen durch die Studie Gehör zu verschaffen und strukturelle Bedingungen aufzudecken, die sexualisierte Gewalt ermöglicht oder begünstigt haben. Wir richten den Blick nicht nur auf den Beschuldigten, sondern auch auf ein System, das Machtmissbrauch, spirituellen Missbrauch und Grenzverletzungen zugelassen hat. Wir haben uns bewusst für eine unabhängige Studie entschieden. Ihre Erkenntnisse helfen uns bei unserer eigenen internen Aufarbeitung – und zur Veränderung.“
Unabhängige Studie beauftragt
Die Studie wird verantwortet von der Sozialwissenschaftlerin Prof. Dr. Johanna Sigl, Professorin am Fachbereich Sozialwesen der Hochschule RheinMain, die an der bundesweiten ForuM-Studie zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Evangelischen Kirche und Diakonie mitgewirkt hat. Das Forschungsteam möchte sowohl Betroffene als auch ZeitzeugInnen, die nicht direkt betroffen waren, ermutigen, sich zu melden. Besonderen Wert legen die WissenschaftlerInnen auf ein Forschungsdesign, das den Bedarfen der Betroffenen gerecht werden soll: Die Beteiligung erfolgt im Rahmen vertraulicher Interviews und Studienerkenntnisse werden nur in anonymisierter Form veröffentlicht.
„Die Studie folgt dem Anliegen, den Perspektiven von Betroffenen Raum zu geben und mit ihrem Wissen das Geschehene zu rekonstruieren. Dass sich die Kirche als Institution heute mit den Ereignissen auseinandersetzt, ist dem Mut der Menschen zu verdanken, die sich mit den Erfahrungen der erlittenen sexualisierten Gewalt direkt an die Kirche gewandt haben“, betont Sigl. Die Durchführung der Studie und die Veröffentlichung der Ergebnisse liegen vollständig in der Verantwortung der WissenschaftlerInnen. Die Kontaktaufnahme erfolgt losgelöst von kirchlichen Stellen. Betroffene sowie ZeitzeugInnen können sich direkt an die Forschenden wenden. „Es werden zu keinem Zeitpunkt personenbezogene Informationen weitergegeben“, ergänzt Sigl.
Die Erkenntnisse sollen dazu dienen, die kirchlichen Prozesse und Maßnahmen zur Prävention sexualisierter Gewalt zu verbessern und eine Kultur der Fürsorge und Sicherheit für Schutzbefohlene in der Evangelischen Kirche zu stärken. Der Abschlussbericht wird voraussichtlich im Frühjahr 2026 veröffentlicht.
Personen, die sexualisierte Gewalt im kirchlichen Umfeld erfahren haben, können sich vertraulich an die Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung der rheinischen Landeskirche wenden. Sie bietet Betroffenen, deren Angehörigen und anderen Ratsuchenden vertrauliche Beratung und Information über Hilfsangebote an.
Lesen Sie hier den Aufruf zur Beteiligung an der wissenschaftlichen Studie und erfahren Sie mehr über die Durchführung.
Bei Interesse an einer Teilnahme oder Fragen zur Studie stehen die WissenschaftlerInnen des Forschungsprojekts zur Verfügung:
Dr. Sebastian Hempel (Projektmitarbeiter)
Hochschule RheinMain,
Fachbereich Sozialwesen
Kurt-Schumacher-Ring 18,
65195 Wiesbaden
sebastian.hempel@hs-rm.de
Telefon 0611-94951345
Prof.in Dr.in Johanna Sigl (Projektleitung)
Hochschule RheinMain
Fachbereich Sozialwesen
Kurt-Schumacher-Ring 18,
65195 Wiesbaden
johanna.sigl@hs-rm.de
Kontaktstellen und Ansprechpersonen für vertrauliche Gespräche und Informationen über Hilfsangebote:
Ansprechstelle für den Umgang mit Verletzung der sexuellen Selbstbestimmung der Evangelischen Kirche im Rheinland
Claudia Paul
Telefon 0211 4562-391
E-Mail claudia.paul@ekir.de
Vertrauenspersonen im Kirchenkreis Düsseldorf
Nils Davidovic
Telefon 0211 95757-798
E-Mail nils.davidovic@ekir.de
Pfarrerin Heike Schneidereit-Mauth
Telefon 0211 95757-709
E-Mail heike.schneidereit-mauth@ekir.de
Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch
Hilfe und Information bei sexueller Gewalt
Telefon 0200 22 55 530
https://www.hilfe-portal-missbrauch.de/startseite
Weißer Ring
Unterstützung für Kriminalitätsopfer
Telefon 116 006
Web: www.weisser-ring.de