Theologie übersetzen

Düsseldorf (evdus). Ihr Arbeitsplatz war das Albrecht-Dürer-Berufskolleg in Düsseldorf. Sie war zudem Superintendentin im ehemaligen Evangelischen Kirchenkreis Düsseldorf-Süd und damit die erste Frau in diesem Kirchenkreis. In zahlreichen kreis- und landeskirchlichen Ausschüssen hatte sie den Vorsitz. Jetzt geht Pfarrerin und Diplompädagogin Sabine Menzfeld-Tress zum 1. August 2023 in den Ruhestand.

„Als ich 1990 als Berufsschulpfarrerin begann, musste ich lernen, die theologischen Fachbegriffe in eine den Schüler:innen verständliche Sprache zu ‚übersetzen‘. Denn in meinem Unterricht saßen junge Erwachsene aller Konfessionen und auch viele kirchlich Distanzierte“, sagt Menzfeld-Tress. Mit einer Haltung, die Glaube und Zweifel nicht als Gegensätze betrachtet, und im Rahmen ihres gemeinsam mit einem katholischen Kollegen entwickelten biographisch akzentuierten Religionsunterrichts hat sie Menschen zwischen 17 und 37 in ihren Klassen erreicht. Denn jede biblische Geschichte knüpft an existentielle Grunderfahrungen an.

Religionsunterricht in Kontakt zum „echten Leben“

Mit ihren Schüler:innen sprach sie etwa anhand der biblischen Geschichte der Brüder Kain und Abel über Geschwisterkonstellationen und die Erfahrung von Konkurrenz um die Zuwendung und Ressourcen der Eltern. „Auch für Einzelkinder war es sehr interessant zu hören, was sich alles zwischen Geschwistern abspielen kann“, sagt Menzfeld-Tress.  Ausgehend von den biographischen Kontexten ihrer Schüler:innen entschlüsselte sie mit ihnen gemeinsam viele biblische Erzählungen und theologische Grundeinsichten.

Im Rückblick stellt sie fest: „In den 90er Jahren haben etwa fünf von 25 Teilnehmer:innen im Religionsunterricht gesagt, dass sie an Gott glauben. Heute ist das Verhältnis nahezu umgekehrt. Seit die sogenannten sozialen Medien verstärkt sozialen Druck ausüben, kann der Glaube an Gott jungen Menschen Möglichkeiten neuer Freiheit und Lebendigkeit eröffnen. Dazu gehört für viele das Gebet. Eine große Bereicherung liegt darin, dass auch nichtchristlich Sozialisierte freiwillig am evangelischen Religionsunterricht teilnehmen. Manchmal ist das für unsere christlich geprägten Schüler:innen ein starker Impuls, um sich mit der eigenen Religion aufs Neue auseinanderzusetzen.“ Aber sie bemerkt auch herausfordernde neue Blockaden in den Lerngruppen: „Gab es früher in einer Klasse Meinungsverschiedenheiten, konnten wir daran einmal pro Woche gemeinsam arbeiten. Heute kommunizieren die Schüler:innen im Hintergrund zwischen den Unterrichtszeiten auf digitalen Wegen, ohne dass wir Lehrenden dies mitverfolgen können. Das bedeutet, dass die Konfliktdynamik von Woche zu Woche deutlich verändert ist. Dann wird zum Beispiel gemobbt, ohne dass wir gegensteuern können“, sagt Menzfeld-Tress. Deshalb wurden Fragen zur Medienethik zunehmend thematisiert. In ihrer Funktion auch als Vertrauenslehrerin hat sie nicht nur zu diesem Thema viele Seelsorgegespräche mit Schüler:innen und auch Kolleg:innen geführt. „Der Bedarf an persönlichen Gesprächen zu allen Lebensbereichen ist von Jahr zu Jahr enorm gestiegen.“

Erste Frau im Superintendentenamt in Düsseldorf-Süd

2001 wurde Sabine Menzfeld-Tress als Superintendentin des damaligen Evangelischen Kirchenkreises Düsseldorf-Süd gewählt. Als erste Frau in diesem Amt des Kirchenkreises Düsseldorf-Süd trat sie mit dem Anspruch an, „einen zeitgemäßen Kommunikationsstil zu pflegen, ihn einzuüben und zu stärken“. Denn sie erlebte Kirche zum Teil als von bevormundenden Umgangsformen geprägt, in deren Rahmen Fairness und Respekt nicht immer für jede:n genügend Raum bekamen. Bei der Leitung der Synoden sorgte sie deshalb auf dem Weg hin zu einem Kirchenkreis dafür, dass die Vielfalt der Argumente von Theolog:innen und Ehrenamtler:innen aus den Kirchengemeinden in allen Phasen der Abstimmungsprozesse erhalten blieb. Dabei war es ihr wichtig, immer wieder Perspektivwechsel vorzunehmen, Neues auszuprobieren. „Unsere Kirche muss sich fortwährend selbstkritisch fragen, ob sie dem Anspruch, evangelisch zu sein, nicht nur nach außen, sondern auch nach innen gerecht wird“, sagt die 63-Jährige.

Auch im Vorsitz des landeskirchlichen Ausschusses für Erziehung und Bildung war sie die erste Frau. Des Weiteren leitete sie federführend die Neubesetzung der Citykirchen-Pfarrstelle an der Johanneskirche am Martin-Luther-Platz. „Die Stelle sollte ein theologisches Profil bekommen, das der Großstadt Düsseldorf entspricht und viele Kirchenmitglieder aus dem Umland anzieht, die den Kontakt zur Kirche neu herstellen möchten“, sagt Menzfeld-Tress.

Im Trauerjahr

Kürzlich hatte Sabine Menzfeld-Tress einen schwerwiegenden Schicksalsschlag zu verkraften. Im März dieses Jahres starb ihr Ehemann, Professor Wolfgang Tress, ehemaliger Direktor des Klinischen Institutes für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am Universitätsklinikum Düsseldorf sowie Direktor der universitären Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie am LVR-Klinikum Düsseldorf. „Unsere Pläne für den Ruhestand sind zerbrochen. Christliche Phasen und Inhalte der Trauerarbeit erlebe ich als sinnstiftend, um meinem Leben angesichts dieses großen Verlustes neue Strukturen geben zu können und zugleich das Leben meines Mannes zu würdigen.“

Ulrike Karpa

 

 

 

 

 

2023-08-03T10:03:46+02:0024. Juli 2023|