Sommerserie: Düsseldorfer Pfarrer:innen im Auslandseinsatz – letzter Teil
Düsseldorf (evdus). Die Lust, Neues kennenzulernen, sich auf Abenteuer einzulassen und eigene Erfahrungen zu sammeln und weiterzugeben begeistert Pfarrerinnen und Pfarrer oft für einen Auslandseinsatz am Berufsanfang oder im Ruhestand, weil da zeitliche Flexibilität meist groß ist. Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) bietet die Möglichkeit, Pfarrstellen in deutschsprachigen Gemeinden in Europa und auf dem ganzen Globus für einige Wochen oder bis zu sechs Jahre zu übernehmen.
In unserer Sommerserie geben wir Einblicke in die Auslandseinsätze von Pfarrer:innen, die Düsseldorf als Lebensmittelpunkt für eine Zeit lang gegen Holland, Dänemark und Griechenland tauschen.
10 Monate als Seelsorgerin in Griechenland
Im Juli, August und September ist sie auf Heimaturlaub in Düsseldorf. Von dort aus bricht die evangelische Pfarrerin Michaela Nieland-Schuller, die seit März 2021 im Ruhestand ist, immer wieder in die Ferne auf. „Ich habe viele Jahre Urlaubsseelsorge zum Beispiel in Österreich und Ungarn gemacht und das auch schon während meines Pfarrdienstes. Dann hat mich die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) gefragt, ob ich zu einem längerfristigen Einsatz nach Griechenland gehen will“, sagt Nieland-Schuller. Sie hat Ja gesagt. Die Wahl fiel auf Thessaloniki, die zweitgrößte Stadt Griechenlands nach Athen und die Hauptstadt Zentralmakedoniens.
Die Kirchengemeinde ist ein Verein
Mitten in einer belebten Geschäftsstraße umgeben von zwei Cafés befindet sich in der Nähe vom Aristoteles-Platz seit November 2022 ihr Einsatzort, die Evangelische Kirche Deutscher Sprache in Griechenland – Gemeinde Thessaloniki. In den Gemeinderäumen werden Gottesdienste gefeiert, Gesprächsrunden zu verschiedenen Themen veranstaltet und seelsorgliche Begleitung, manchmal ganz praktische Lebenshilfe, angeboten. Hier finden vor allem Heiratsmigrant:innen eine deutschsprachige Heimat. Das Besondere: Die Kirche ist ein Verein, offen für alle Menschen unabhängig ihrer Religionszugehörigkeit, Kultur und Nationalität. „Das hat den Grund, dass ein Verein von der in Griechenland sehr mächtigen griechisch-orthodoxen Kirche eher akzeptiert wird. Denn wir Protestant:innen werden in den Augen vieler Orthodoxen als Sektierer wahrgenommen, die nicht den rechten Glauben vertreten. Deshalb sind auch zum Beispiel ökumenische Trauungen leider nicht möglich“, sagt Nieland-Schuller. 200 zahlende Mitglieder hat der Verein, der sich selbst trägt. Nur eine Pfarrstelle kann er sich bei einem Mitgliedsbeitrag von 60 Euro im Jahr nicht leisten. Da kommen dann die Ruheständler:innen über die EKD zum Einsatz, die eine Aufwandsentschädigung für ihren Dienst im Ausland erhalten.
Seelsorge und Sozialbetreuung
Die Gemeinde umfasst auch abgelegene Städte, zum Beispiel die 77 Kilometer weit entfernte Stadt Edessa. „Dort haben wir keine Gemeinderäume, sondern feiern Gottesdienste in Wohnungen. Es hat schon etwas vom Urchristentum wie bei Paulus. Und es funktioniert“, sagt die Pfarrerin aus Deutschland.
Guter Kontakt besteht zum Deutschen Konsulat, dem Goethe-Institut und anderen deutschsprachigen Organisationen in Thessaloniki. „Vor der Sommerpause haben wir wieder einen großen Gottesdienst zusammen open Air im Garten des Goethe-Instituts gefeiert, an dem auch Theologie-Professor:innen der Universität vor Ort und Student:innen teilnahmen“, sagt die Pfarrerin.
Seelsorge und die Sozialbetreuung der Gemeindeglieder zählen zu ihren Hauptaufgaben. „Vor allem ältere Frauen aus Deutschland haben früher in griechische Familien eingeheiratet und sich den dortigen Gepflogenheiten angepasst, sind nicht arbeiten gegangen. Im Alter beziehen sie deshalb vielfach nur eine geringe Rente, leben am Existenzminimum“, sagt Nieland-Schuller. Manche von ihnen können sich die Miete in Thessaloniki nicht leisten und ziehen nach dem Tod ihrer Männer in ihre Sommerhäuser, die sie zum Beispiel auf der Halbinsel Chalkidiki haben. „Meistens müssen unsere Sozialassistentin und ich für einen Besuch weite Wege zurücklegen. Mit einem Lebensmittelpaket im Gepäck treffen wir die Frauen oft einsam in einem Ferienhaus an, in dem es manchmal noch nicht mal warmes Wasser und eine Heizung gibt“.
Der kirchliche Verein veranstaltet im Jahr zwei große Trödelmärkte mit gebrauchter Kleidung, Möbeln und Spielzeug für Kinder. Gerade von Menschen mit wenig Geld in Thessaloniki wird diese günstige Einkaufsmöglichkeit gern genutzt. „Beeindruckt hat mich der alljährlich von unserer Gemeinde veranstaltete Adventbasar in den Räumen der deutschen Schule. Dort kommen 5000 bis 10.000 Menschen zusammen, kaufen selbst Hergestelltes, singen Weihnachtslieder, feiern und essen gemeinsam. Rund 20.000 Euro haben wir dabei eingenommen im letzten Jahr“, sagt die 65-Jährige.
Flüchtlingsarbeit ist ein weiterer Schwerpunkt der Gemeinde. Afghanen, Syrer, Afrikaner und Iraner leben in zwei Flüchtlingslagern in und außerhalb Thessalonikis. „Wir haben von unserem Verein eine Wohnung, in der wir derzeit eine geflüchtete Familie auf Afghanistan betreuen und sie durch das Asylverfahren hindurch begleiten und suchen eine zweite“, sagt Nieland-Schuller. Es brauche vor allem Dolmetscher:innen, welche die Geflüchteten zum Beispiel zum Arzt begleiten können. Auch Naomi, ein Hilfsprojekt in Thessaloniki, das von einer ehemaligen Pfarrerin des Vereins ins Leben gerufen wurde, leistet mit seiner Nähwerkstatt einen wichtigen Beitrag zur Integration von Menschen mit Fluchterfahrung.
„Hier wird nicht soviel gejammert wie bei uns“
In ihrer Freizeit schaut sich Michaela Nieland-Schuller mit ihrem Mann, Historiker, gern alte Steine an, zum Beispiel die Königsgräber des Makedonischen Reiches in Nordgriechenland. „Ich suche nach Spuren der Vergangenheit“, sagt sie. Darum macht es ihr auch Freude, Reisegruppen zu begleiten und ihnen die wechselvolle Geschichte Thessalonikis nahe zu bringen und über das Wirken von Paulus im Norden und dem mittleren Griechenland zu erzählen. Mit nach Deutschland nimmt sie die griechische Gelassenheit: „Hier wird nicht so viel gejammert wie bei uns. Am Meer oder im Café sitzen, erzählen und das Leben genießen, die Gemeinschaft wertschätzen. Diese Haltung gefällt mir gut“. Und Mitte September geht es für weitere 10 Monate nach Thessaloniki.
Ulrike Karpa